Vom Nintendo-Kid zum Professor für Game Design
(c) Grzegorz Karkoszka
Herr Schwingeler, Sie sind derzeit Professor für Game Design in Stuttgart und ab 1. März sogar Professor für Medienwissenschaft in Hildesheim. Müssen wir Sie uns als 15-jährigen Computer-Nerd vorstellen, der in seiner Freizeit in einem abgedunkelten Raum gezockt hat, oder wie sind zu diesem Beruf gekommen?
Natürlich nicht die ganze Zeit – aber das kam natürlich vor! Ich habe als Junge gemeinsam mit meinen Freunden tatsächlich viel gespielt. Computerspiele haben mich einfach fasziniert, weshalb ich mit 18 ein Praktikum bei Nintendo gemacht habe. Jedes „Nintendo-Kind“ kannte damals das Monats-Magazin Club Nintendo - da mitarbeiten zu dürfen war eine tolle Erfahrung, vor allem weil ich mich auch für journalistisches Arbeiten interessierte. Während meines Studiums der Medienwissenschaft und Kunstgeschichte an der Uni Trier habe ich dann längere Zeit nicht gespielt.
Als aber schließlich meine Magisterarbeit anstand, habe ich die Computerspiele wiederentdeckt – dann allerdings aus der akademischen Perspektive.
Auf den ersten Blick haben Medienwissenschaft und Kunstgeschichte wenig mit Game Studies zu tun. Wie sind Sie überhaupt darauf gekommen?
Ich habe gemerkt, dass Computerspiele ein Gegenstand sind, der interessant für beide Fächer und zugleich völlig unterrepräsentiert und ungewöhnlich ist. Es können alle möglichen medien- und kunstwissenschaftlichen Fragestellungen daran angeknüpft und beantwortet werden. Meine Idee war, die aktuellen dreidimensionalen Welten von Computerspielen in einem ganz strengen kunsthistorischen Sinne auf die Renaissance-Perspektive zurückzuführen. In meiner Magisterarbeit habe ich dann die Konstruktion von Perspektive in Computerspielen untersucht.
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Warum haben Sie überhaupt in Trier studiert? Sie kommen ja eigentlich aus Schwerte bei Dortmund, da läge Köln als Medienstadt doch näher?
Fest stand damals, dass ich irgendwas mit Medien machen will. Ich habe mich an mehreren Universitäten beworben und auch einige Zusagen bekommen. Letztendlich habe ich mich für Trier entschieden, weil es relativ klein ist. Ich wollte in keine riesige Stadt mit riesiger Uni.
Wie haben Sie das Studium der Medienwissenschaft erlebt?
Es war ein sehr familiäres Miteinander. Ich hatte das Gefühl, dass man immer zu den Professoren gehen konnte, sich aufgehoben fühlte und immer auf ein offenes Ohr gestoßen ist. Besonders gut haben mir auch die vielen praktischen Aspekte des Studiums gefallen. Außerdem hatte ich relativ früh das Glück, als wissenschaftliche Hilfskraft der Professur Loiperdinger mitarbeiten zu dürfen. Im dritten Semester durfte ich als Tutor den Grundkurs „Analyse audiovisueller Medien“ betreuen, in dem wir Film- und Medienanalysen durchgeführt haben. Das war im Grunde das Feld, in dem ich auch heute noch arbeite.
Gibt es ein Projekt oder ein Seminar, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja, es gab ein Projekt, in dessen Rahmen wir uns mit Amateurfilmen beschäftigt haben. Dazu haben wir sogar eine kleine Publikation herausgegeben. Außerdem habe
ich an der Ausstellung X-Ray/Porträt unter Leitung von Frau Deeken mitarbeitet. Wir als Studenten konnten die Ausstellung sowohl gestalten als auch selbst künstlerisch tätig werden und wir durften sie in der Europäischen Kunstakademie präsentieren. Das hat, wenn Sie so wollen, den Grundstein für meine kuratorische Arbeit gelegt.
Wie ging es für Sie nach der Uni weiter?
Nach meinem Magister habe ich angefangen zu promovieren. Während meiner sechsjährigen Promotionsphase habe ich parallel beim NRW KULTURsekretariat gearbeitet. Da habe ich zum Beispiel das Next Level - Festival for Games „miterfunden“ und mitgestaltet, das inzwischen jährlich stattfindet und eine internationale Größe im Bereich Kunst und Kultur von Computerspielen ist. Nach meiner Promotion habe ich ein Volontariat am ZKM, Zentrum für Kunst und Medien, in Karlsruhe begonnen und parallel dazu das GameLab der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe geleitet. Nach dem Volontariat wurde ich wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZKM. In der ganzen Zeit dort habe ich im kuratorischen Bereich gearbeitet und große Ausstellungsprojekte gestaltet und gemanagt. Daraufhin hat sich die Stelle als Professor für Game Design an der Media Akademie Hochschule in Stuttgart ergeben. Von dieser Station aus werde ich am 1. März 2018 an die Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) nach Hildesheim wechseln und dort die Professur für Medienwissenschaft bekleiden.
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Haben Sie sich Ihre Karriere so vorgestellt?
Ich habe immer neue Puzzle-Teile entdeckt, die zu mir, meinen Interessensgebieten und Perspektiven passten. Die Computerspiele haben mich recht früh fasziniert, aber ich habe auch als Student schon Kultur produziert, wie beispielsweise ein Filmfestival im Innenhof des kurfürstlichen Palais. Wir haben aber auch Medienkunst-Ausstellungen in Trier organisiert. Das hat sich dann verbunden – Computerspiele, zeitgenössische Kunst, Medienkunst und interaktive Medien – was schließlich zur Professur in Stuttgart und bald dann in Hildesheim geführt hat.
Welches Handwerkszeug aus der Medienwissenschaft können Sie in Ihre jetzige Forschung miteinbeziehen?
Auf die Tools und Methoden der Trierer Medienwissenschaft, die eher kulturwissenschaftlich geprägt ist, beziehe ich mich heute noch oft. Vor allem wurde ich sehr stark von den audiovisuellen Themen geprägt. Ich halte nächstes Semester beispielsweise eine Vorlesung zum Thema „Kulturgeschichte im Designkontext“. Da fließt auch ein, was ich in der Medienwissenschaft und Kunstgeschichte in Trier gelernt habe. Ich werde natürlich auch frühes Kino behandeln, was Herrn Loiperdinger sicher freuen wird.
Sie werden oft als internationaler Vorreiter der Game
Studies bezeichnet. Welche persönlichen Eigenschaften waren wichtig, um es beruflich so weit zu schaffen?
Ich glaube das Wichtigste ist Neugierde und dass man am Ball bleibt und durchhält. Vor allem die Zeit der Promotion war ziemlich entbehrungsreich, denn sechs Jahre an einem Text zu arbeiten ist hart. Das würde ich auch als größte Herausforderung meiner Karriere bezeichnen. Nicht zu vergessen ist Freude – Freude an dem, was man macht. Sonst hält man nicht durch.
Spielen Sie heute noch Computerspiele?
Klar, wenn ich die Zeit habe, spiele ich. Das letzte Spiel, was ich gemeinsam mit meinen Studierenden gespielt habe, war Inside. Ein fantastisches Spiel, das ich nur empfehlen kann! Natürlich schätze ich als „Nintendo-Kind“ auch die neuesten Mario & Zelda Fortsetzungen sehr. Außerdem empfehle ich wärmstens die Spiele, die ich zurzeit in der Ausstellung Digital Games in Aachen im Ludwigforum zeige, wie beispielsweise Everything von David O’Reilly: Da wird ein ganzer Kosmos simuliert und der Spieler kann alles verkörpern und steuern, von der Palme über den Grashalm bis hin zum Elefanten und Billard-Tisch. Ein Spiel, was mit erheblichen philosophischen Untertypen und viel Humor aufwartet. Das ist mein Tipp.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schwingeler.