Von Trier über Hamline
nach Shanghai
Warum haben Sie sich im Jahr 2000 für das Studium der Medienwissenschaft in Trier entschieden?
Als ich mich damals nach Studiengängen umgeschaut habe, gab es drei Optionen: ein traditioneller Journalismus-Studiengang, direkter Einstieg ins Volontariat oder ein ganz neues Fach. Ich hatte damals den Eindruck, dass viele der traditionellen Journalismus-Studiengänge sich nicht schnell genug erneuert und für neue Medien geöffnet haben. Da schien mir die Medienwissenschaft in Trier, damals noch ein sehr junges Fach, eine interessante Option.
Wie haben Sie das Studium erlebt?
Extrem interessant. Endlich konnte ich mir die spannendsten Themen und Angebote heraussuchen: Ich habe Wirtschaftsvorlesungen angehört,
Philosophieseminare besucht, mich mit Randthemen beschäftigt – ich habe mich einfach in alle möglichen Vorlesungen gesetzt, und zwar nicht nur für den Teilnahmeschein. Diese Freiheit scheint mir auch aus heutiger Sicht noch ein unglaublicher Luxus.
Gibt es ein Seminar oder ein Projekt, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
In der Medienwissenschaft war ich von Anfang an ein großer Fan der Praxisseminare, in denen erfahrene Journalisten und Leute aus der Wirtschaft ihren Blick von draußen einbrachten. Einer der Dozenten, der damalige AP-Chefredakteur Peter Gehrig, wurde später mein erster Chef. Er hat einen Kurs über Nachrichtenagenturen gehalten. Das war entscheidend dafür, dass ich mich später für ein Agentur-Volontariat entschieden habe.
Wie ging es nach der Uni für Sie weiter?
Ich bin nach dem Studium direkt ins Volontariat eingestiegen. Dank meiner Zeit an der Partneruniversität der Uni Trier, der Hamline University, des dortigen Lehrbeauftragten Terry Wolkerstorfer - einem AP-Veteranen - , und Peter Gehrig habe ich mich nach dem Studium direkt bei der AP in Frankfurt um ein Volontariat beworben — und es bekommen.
Mittlerweile wohnen Sie in Shanghai und haben mehrere Standbeine. Unter anderem sind Sie Inhaber des „Café del Volcán“. Auf den ersten Blick haben Medienwissenschaft und das Leiten einer Kaffeerösterei nur wenig miteinander zu tun. Was hat Sie zu diesem Schritt veranlasst?
Nach meinem Volontariat bin ich nach China gezogen und habe dort zuerst als Produktmanager in einer Softwarefirma, später als freier Journalist, und dann als angestellter Korrespondent gearbeitet. Die Idee, in China frischen Spezialitätenkaffee zu rösten, war eher Zufall — meine Freundin und ich waren mit dem Rucksack im Süden des Landes unterwegs und dachten, wenn wir schon mal in einer Boom-Wirtschaft leben, können wir eigentlich auch ein Unternehmen
starten. Kurz darauf lernte ich meinen späteren Geschäftspartner kennen und legte los. Kaffee war damals in China natürlich noch nicht so weit verbreitet, doch heute gibt es hier fast 3 Tausend Starbucks. Wenn in einem Land mehr als 1,2 Milliarden Einwohner leben, dann ist es egal, wie klein eine Nische ist. Die Stadt Shanghai hat alleine dreiundzwanzig Millionen Einwohner. Da kann man eine Menge Kaffee verkaufen, selbst wenn 90 von 100 Menschen lieber Tee trinken.
Neben dem Kaffeegeschäft sind Sie zudem Head of Operations bei der Non-Profit-Organisation Choson Exchange. Worin besteht Ihre Tätigkeit und was ist Ihre Vision dabei?
Bei meiner Arbeit für Choson Exchange berate ich angehende Unternehmensgründer in Nordkorea bei der Umsetzung ihrer Ideen. Außerdem bringen wir Freiwillige aus Europa und anderen Teilen der Welt nach Pjöngjang, die dort im Rahmen von “Startup Bootcamps” ihre Berufserfahrung in Marketing, Management, Finanzplanung, Produktentwicklung und ähnlichen Bereichen an ambitionierte Nordkoreaner weitergeben. Wir tun das, weil wir glauben, dass Kleinunternehmen ein wichtiger Baustein für wirtschaftliche Entwicklung und nicht-militärische Lösung des Korea-Konflikts sind.
Können Sie heute noch von Ihrem Studium in Trier profitieren?
An der Uni Trier und der Hamline University habe ich gelernt, eine Idee so zu erklären, dass andere mitmachen — denn ohne Mitstreiter geht es nicht. Dieses Handwerkszeug hat mich in den Journalismus geführt, wo es um das Erklären der Ideen anderer geht, aber auch in meinen ersten Softwarejob, ins Kaffeegeschäft und schließlich nach Nordkorea.
Welche Tipps würden Sie heutigen Studierenden der Medienwissenschaft mit auf den Weg geben?
Ich rate jedem, das zu tun, was er oder sie wirklich will. Wer heute versucht, sich strategisch am deutschen Arbeitsmarkt oder dem Wunsch seiner Eltern auszurichten, sitzt in fünf Jahren wahrscheinlich gelangweilt im falschen Büro der falschen Firma und am falschen Produkt.