Helga Gerhards ist begeistert von den Montagsvorträgen, bei denen Dozenten aus unterschiedlichen Forschungsrichtungen zu Wort kommen. Die ehemalige kaufmännische Angestellte ist auch regelmäßig in der Einführungsvorlesung von Professor Bucher zu finden.

Helga Gerhards

Jeden Dienstagmorgen, wenn es wieder um Theorien und Methoden der Medienwissenschaft geht, sitzt Reinhold Zanoth in der ersten Reihe. Er kennt die Medienwelt aus seinem Beruf: Langjährig war er beim Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. beschäftigt.

Reinhold Zanoth

Klaus Faulhauer ist 83 Jahre alt. Der ehemalige Chefarzt am Brüderkrankenhaus in Trier ist seit 2000 Seniorenstudent an der Universität und besucht aktuell die Vorlesung „Theorien und Methoden der Medienwissenschaft“ bei Hans-Jürgen Bucher.

Klaus Faulhauer

In diesem Semester besucht Klaus Orth die Vorlesung „Medienstrukturen“ bei Professor Nuernbergk. Seit sieben Jahren ist der 68-Jährige als Seniorenstudent an der Universität Trier. Vor seinem Studentenleben war er bei einer Versicherung tätig.

Klaus Orth

Der frühere Lehrer Heinrich Herres  hat sich in diesem Semester zum vierten Mal für eine medienwissenschaftliche Veranstaltung entschieden. Die Wahl ist dabei zum zweiten Mal auf die Vorlesung „Theorien und Methoden der Medienwissenschaft“ gefallen.

Heinrich Herres

Wir sind die ewigen Studenten

Studierende von heute klagen nicht selten über zu viel Theorie und können es nicht abwarten endlich in die Praxis einzusteigen. Die umgekehrte Tendenz zeigt sich bei den Senioren: Nach Jahren in der Praxis sehnen sie sich wieder nach einer theoretischen Auseinandersetzung – auch als Seniorenstudierende im Fach Medienwissenschaft.

„Ich möchte mein Hirn noch ein bisschen strapazieren“

Die Zeit nach dem Berufsleben sinnvoll gestalten, den Intellekt weiterhin fordern, oder, um es mit den Worten von Heinrich Herres zu sagen: „Das Hirn noch ein bisschen strapazieren” – das ist für die fünf Senioren das zentrale Motiv, sich auch im Alter noch einmal mit komplexer Theorie auseinanderzusetzen. Sie sind sich einig, dass das Seniorenstudium an der Universität genau das Richtige dafür ist.

Beim Lesen der Tageszeitung, ihrem morgendlichen Ritual, haben sowohl Klaus Orth als auch Helga Gerhards von der Möglichkeit des Seniorenstudiums an der Universität Trier erfahren und sich anschließend direkt für eine Gasthörerschaft eingeschrieben. Ganz anders war es bei Reinhold Zanoth: Der 70-jährige hatte

vor seiner Immatrikulation gezielt im Netz nach Ange­boten für Senioren gesucht.
Die Seniorenstudierenden sind auch nach mehreren Semestern immer noch begeistert von dem Angebot. Von Langeweile keine Spur! Das Gaststudium begreifen die Fünf als Chance, auch im Ruhestand einen gere­gelten Alltag aufrechtzuerhalten, mit jungen Menschen in Kontakt zu treten und verschiedenste Fachbereiche jen­seits des eigenen Berufes kennenzulernen.

Die Familien der Senioren unterstützen deren Ent­scheidung, im Alter noch einmal in die Theorie einzu­tauchen. Einige studieren an derselben Universität wie ihre Enkel – Mensabesuche mit Oma und Opa stehen trotzdem nicht auf dem Programm.

Medienwissenschaftlerin Carina Lennartz wirft einen Blick in Reinhold Zanoths Aufzeichnungen aus verschiedenen Vorlesungen.

„Durch diesen Dschungel gesund hindurch kommen“

Vor allem Neugierde war es, die die fünf Senioren in Vorlesungen der Medienwissenschaft gebracht hat. Klaus Faulhauer, Helga Gerhards, Heinrich Herres, Klaus Orth und Reinhold Zanoth haben ein großes Interesse an der sich stetig verändernden Medienlandschaft. Nicht nur die klassischen Massen­medien spielen in ihrem Alltag eine Rolle, es gibt auch immer mehr Berührungspunkte mit neuen Medien und Entwicklungen: sei es das Tablet, das unter Anleitung von den Kindern benutzt wird, oder der morgendliche Nachrichtenkonsum über das Amazon Echo. Heinrich Herres findet es daher wichtig zu schauen, dass man „durch diesen [Medien-]Dschungel einigermaßen gesund hindurch kommt“.

Der pensionierte Lehrer Heinrich Herres ist zum wieder­holten Mal in der Vorlesung von Professor Bucher dabei:
Ihm haben sowohl der Aufbau als auch die Inhalte gut

gefallen. Er will den Wandel der Medien in den letzten Jahren nachvollziehen können und etwas darüber erfahren, wie sich dies in den Methoden und Theorien niederschlägt.

Die vielen Veränderungen in der schnelllebigen Medienlandschaft haben auch Reinhold Zanoth dazu bewogen, sich nach sieben Jahren Seniorenstudium nun zum ersten Mal in eine medienwissenschaftliche Veranstaltung zu setzen. Zuvor hatte er sich bewusst dagegen entschieden, da bereits sein Berufsleben von den Medien geprägt gewesen war: Nach seiner langjährigen Tätigkeit beim Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. wollte sich Zanoth zunächst ganz bewusst anderen Fächern wie der Philosophie zuwenden. Nun will er überprüfen, wie sich die Medienwelt seit seiner Pensionierung verändert hat.

Im Notizbuch von Klaus Faulhauer werden nicht nur Theorien der Medienwissenschaft, sondern auch die lustigsten Statements von der Twitter-Wall festgehalten. Wie hier: „Th17: Haste Bock? Schläfst du?“

„Das Schönste ist diese Twitter-Wall, das ist herrlich!”

Seit etwa zehn Jahren gibt es in der Einführungs­vorlesung „Theorien und Methoden der Medien­wissenschaft“ die Twitter-Wall. Hier können die Stu­die­renden per Tweet unkompliziert und anonym Fragen äußern oder Diskussionen anstoßen. Diese werden live auf einem Bildschirm neben dem Rednerpult gezeigt. Reinhold Zanoth bedauert, dass die Studierenden oft nicht die Gelegenheit nutzen, eine inhaltliche Aus­einander­setzung mit dem aktuellen Thema der Vor­lesung zu führen, sondern auch weniger ernst Ge­mein­tes twittern. Der ehemalige Chefarzt Klaus Faulhauer ist hingegen ganz angetan von den Tweets der jüngeren Studierenden. Er amüsiert sich über die themenfernen Kurznachrichten und notiert die Highlights in seinem Notizbuch.

Selbst aktiv wird bei der Twitter-Wall allerdings keiner der Seniorenstudierenden, was auch mit ihrem Selbst­verständnis zusammenhängt: Sie verstehen sich als ­

Gäste und sind dementsprechend eher passive Zuhörer. Trotzdem schreiben sie alle für ihr eigenes Archiv und zur Verinnerlichung fleißig mit. Klaus Orth und Heinrich Herres übertragen die handschriftlichen Notizen sogar zuhause noch in digitale Form und ergänzen sie mit weiteren Informationen aus den Vorlesungsmaterialien.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ihnen geht es darum, die Inhalte bestmöglich zu strukturieren und sich so ihr eigenes Nachschlagewerk zu schaffen. So verwahren auch Faulhauer, Gerhards und Zanoth ihre Mitschriften.

Klaus Faulhauer erfreut sich an den

Tweets der Kommilitonen.

Heinrich Herres setzt sich wie die anderen Senioren aktiv mit neuer Technologie auseinander: Hier zeigt er seine Mitschriften auf dem Tablet.

Service

Klaus Orth wirft einen kriti­schen Blick
auf TV-Moderatoren.

„Die Tageszeitung bleibt bei uns abonniert“

Die fünf Senioren sind gut informiert über die neuesten Medienentwicklungen; fast alle besitzen ein Smartphone und nutzen ein Tablet, zum Beispiel für die Mitschriften in der Vor­lesung. Neben dem Fernsehen ist die Tageszeitung die wichtigste Informationsquelle.

Doch auf welches Medium würden die Senioren am wenigsten verzichten wollen? Klaus Orth ist ein Ver­fechter der Tageszeitung, während bei Zanoth und Herres das Internet mit seiner Vielfalt an Informationen die Nase vorn hat. Dennoch gehört die Zeitung auch zu ihrem Alltag; ebenso wie bei Helga Gerhards.

Dass sie von dem Besuch der medien­wissenschaft­-

lichen Vorlesung profitieren, steht für die Fünf außer

 

An der Universität Trier ist ein Seniorenstudium im Rah­men des Angebots Campus der Generationen     mög­lich. Nach Beantragung einer Gasthörerschaft können

Senioren an Vorlesungen und Seminaren teilnehmen. Die Gebühren richten sich nach der gewünschten Veranstaltungsanzahl und liegen pro Semester zwischen 140 und 300 Euro.

 Frage. Durch die anschaulichen Beispiele aus den Ver­anstaltungen, werden sie zu kritischeren Rezi­pien­ten: Beim alltäglichen Medienkonsum von Zeitung und Fernsehsendungen hinterfragen sie nun intensiver als zuvor. Man lernt eben tatsächlich nie aus.