„BILD ist die beste Schule!“
Sie sind Redaktionsleiter bei der BILD-Zeitung und verantwortlich für alle Ausgaben in Nordrhein-Westfalen. Wie sind Sie nach dem Studium dort hingekommen, wo Sie heute sind?
Bis Ende 1999 war ich in Trier, im Januar 2000 habe ich ein Volontariat bei der Axel Springer Journalistenschule angefangen. Während des Volontariats habe ich dann meine Magisterarbeit geschrieben. Meine Stammredaktion während des Volontariats war BILD Berlin/Brandenburg. Nach dem Volontariat bin ich recht rasch stellvertretender Redaktionsleiter bei BILD Berlin/Brandenburg geworden.
Wie ging es dann weiter?
Ich bin über verschiedene Städte – Hamburg, Halle an der Saale, Berlin – und durch verschiedene Führungspositionen gegangen. Vor acht Jahren kam ich nach NRW, wo ich seit 2010 Redaktionsleiter für BILD West bin.
Wie kann man sich Ihre Tätigkeit als Redaktionsleiter vorstellen?
In NRW gibt es Printseitig drei Lokalausgaben, die von Reportern in den jeweiligen Städten betreut werden: Düsseldorf, Köln und Ruhrgebiet. Ich arbeite mit einem Blattmacher-Team zusammen, das eben diese drei Ausgaben verantwortet und bestückt. Zudem kümmern wir uns sehr intensiv um Online und publizieren Geschichten aus NRW, die für unsere digitalen Bühnen und Social Media Relevanz haben.
Wollten Sie schon immer Journalist werden?
Ja. Ich habe vor meinem Studium ein erstes Praktikum gemacht, damals bei der Rhein-Zeitung in Lahnstein, wo
ich her komme. Ich habe mit dem Berufswunsch Journalist angefangen zu studieren, habe dann Germanistik und Politik belegt und Medienkommunikation als Zusatzzertifikat studiert. Bei Germanistik dachte ich, das würde mir helfen für den Journalismus. Das kam dann doch anders. Politik fand ich interessant und Medienkommunikation als Zusatz hielt ich auch für hilfreich, um Journalist zu werden.
Wieso haben Sie sich dann Trier ausgesucht? Die Stadt ist nicht unbedingt eine Medienhochburg…
(lacht) Das stimmt. Offen gesagt: 1995, als ich angefangen habe zu studieren, war ein Kumpel von mir schon in Trier. Er sagte mir damals: Trier hat einen schönen Campus, hier gibt’s gute Kneipen und Partys, hier musst du hinkommen. Was er verschwiegen hatte: Das Studium, jenseits der Partys, war wirklich sehr gut organisiert. Ich hatte gute Dozenten, teilweise noch sehr jung, die sehr gute Vorlesungen und Seminare gemacht haben. Obwohl ich ein eher bescheidener Schüler war und kein gutes Abi gemacht habe, bin ich an der Uni aufgeblüht. Auch was die Noten angeht. Weil mich das Studium wirklich angesprochen und mir Spaß gemacht hat.
Was hat Ihnen am Fach besonders gut gefallen? Was haben Sie dort gelernt, was Sie heute auch noch anwenden können?
Ich bin damals schon gezielt auf praxisorientierte Sachen gegangen, habe Blockseminare belegt oder Seminare, die in irgendeiner Weise journalistische Themen hatten. Heute würde ich sagen, das hat auf jeden Fall Spaß gemacht, das war schön und interessant. Aber es kann auf keinen Fall die praktische Erfahrung ersetzen, höchstens ergänzen.
Ist denn ein Studium der Medienwissenschaft Ihrer Meinung nach heute noch wichtig?
Ich kann mich nicht zu den Studienbedingungen heute äußern. Rückblickend sehe ich das differenziert. So haben wir in Seminaren zum Beispiel auch über die BILD-Zeitung gesprochen. Wir haben uns die BILD vorgeknöpft, sie gelesen, die Überschriften seziert, haben Wörter gezählt und dann am Ende gesagt: „Jetzt haben wir’s verstanden, die machen das bei der BILD-Zeitung so und so“. Was wir damals überhaupt nicht gemacht haben, war das Naheliegende – Menschen, die dieses Produkt machen, zu fragen: „Wieso macht ihr das eigentlich so?“ Stattdessen hat ein Professor eine BILD-Schlagzeile – damals noch mit Overheadprojektor – an die Wand des Hörsaals geworfen: „Gottschalk beleidigt deutschen Schäferhund“. Und der ganze Hörsaal hat gelacht. Aber was tatsächlich hinter dieser Geschichte stand, warum sie gemacht wurde, das wurde nie betrachtet.
Also glauben Sie, dass die BILD auch an Universitäten falsch wahrgenommen wird?
Als ich schon einige Jahre bei BILD war, hat mich Professor Bucher zu einer großen Podiumsdiskussion eingeladen, an der auch der damalige Leiter der NRW-Redaktion der Süddeutschen Zeitung teilgenommen hatte. Professor Bucher stellte uns dann wie folgt vor: den Kollegen von der Süddeutschen als Vertreter eines Qualitätsmediums und Herrn Auster, der bei einem Boulevardmedium arbeitet. Ich habe mir erlaubt als erstes zu fragen: „Wer sagt denn eigentlich, dass wir keine Qualität herstellen?“ Das Publikum johlte. Aber das stand ich durch. Die Studierenden kannten nicht unsere Arbeitsabläufe, sie wussten nicht, was für eine Arbeit hinter BILD steckt. Ich habe versucht, dass dann transparent zu machen.
Wie würden Sie denn die Arbeit bei BILD beschreiben?
Einfach gesagt: Dadurch, dass wir größere Buchstaben haben, wird auf uns natürlich auch eine größere Aufmerksamkeit gelegt und wir können’s uns nicht
leisten, fehlerhafte Informationen zu verbreiten. Die meiste Arbeit besteht daher nicht darin, originelle Überschriften zu kreieren oder möglichst knappe Sätze zu formulieren, sondern der größte Zeitaufwand liegt in der Recherche. Ein Außenstehender kann kaum einschätzen, wie viel Recherche jeder einzelne BILD-Artikel mit sich bringt. Wir bemühen uns – so glaube ich wirklich – mehr als sehr, sehr viele andere Medien darum, Sachverhalte aus allen Blickwinkeln zu beleuchten. Teilweise legen wir auch unsere Recherchewege offen. Wir wollen unsere Arbeit transparent machen und eben auch dem weit verbreiteten Pauschalvorwurf der „Lügenpresse“, der ja nicht nur uns trifft, entgegenzutreten.
Was sollten Medienwissenschaftler im Studium lernen, um auf das spätere Berufsleben gut vorbereitet zu sein, wenn sie beispielsweise eine ähnliche Karriere anstreben wie Sie?
Ich glaube das Wichtigste am Studium ist, dass man es mit Praktika begleitet. Ohne Praktika, gerade im journalistischen Bereich, wird kaum ein Volontariat bekommen. Was ich im Studium gut fand, war das strukturelle und analytische Arbeiten. Man wird beim Studium im Prinzip erwachsen, man lernt, sich vor Gruppen vorzustellen und bekommt dadurch jede Menge Social Skills. Es ist gut und wichtig, zu studieren. Egal ob das Medienkommunikation, Medienwissenschaft oder ein anderes Fach ist. Es ist aber mindestens genauso wichtig, wenn man in den Journalismus will, zu wissen, dass man ohne praktische Erfahrungen nicht weit kommen wird.
Also ist die praktische Erfahrung am wichtigsten?
Praktische Erfahrung und Furchtlosigkeit. Wer sich nicht traut, fremde Menschen anzurufen oder bei Ihnen unerwartet zu klingeln, wird kein guter Reporter. BILD ist aus meiner Sicht die beste Schule. Das sage ich nicht, weil ich hier arbeite, sondern weil ich es selbst so empfunden habe. Man lernt nirgends so viel über Recherche, über das Finden von Geschichten, über das Finden von Themen, auf allen Ebenen, für Print und Online.
Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Auster.